Presseerklärung der Autonomen Lokomotivführer-Gewerkschaften Europas (ALE)

Europäische Lokomotivführer legen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eiDie europäische Vereinigung von 16 unabhängigen europäischen Lokomotivführer-Gewerkschaften, ALE, hat Ende September 2009 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg Beschwerde gegen den belgischen Staat eingelegt.

Die Autonomen Lokomotivführer-Gewerkschaften Europas (ALE) sind der Rechtsauffassung, dass der belgische Staat zum einen das Recht ihrer belgischen Mitgliedsgewerkschaft Syndicat Autonome des Conducteurs de Train (SACT) auf Vereinigungsfreiheit behindert; zum anderen sieht sie das Recht der SACT auf ein faires Verfahren verletzt. Vor allem aber ist die ALE der Rechtsauffassung, dass durch den ganzen Vorgang eigene Rechte der ALE als Dachorganisation verletzt werden.

Fast zehn Jahre prozessiert die SACT nun gegen den belgischen Staat und seine Gerichtsbarkeit, um als handlungsfähige Gewerkschaft anerkannt zu werden.

„Diese nicht zu akzeptierende Verfahrensdauer ist eine eindeutige Rechtsverweigerung“, erklärte der klageführende Präsident der ALE, Manfred Schell, in Frankfurt. Sie höhlt das Recht der SACT auf Vereinigungsfreiheit aus, die daran gehindert wird, ihre Mitglieder effektiv und wirksam zu vertreten.
Nach Aufhebung aller negativen Urteile gegen die SACT am 2. Februar 2008 durch das höchste ordentliche Gericht in Belgien, dem Kassationshof, ist die Sache aktuell zur erneuten Verhandlung an das Gericht des zweiten Rechtszuges, dem Appellationshof in Brüssel zurückverwiesen.

Dieses Gericht verschiebt seit zwei Jahren die Entscheidungstermine, vom 17. Februar 2009 auf den 17. September 2009, zuletzt nun auf den 14. Januar 2010, und zögert den zu erwartenden Erfolg der SACT hinaus. Die Mitglieder der SACT, aber auch potentielle Mitglieder, bewerten diese Art der Rechtsverschleppung als einen ungeheuerlichen Akt der belgischen Gerichtsbarkeit, sowohl nach nationalem also auch nach internationalem Recht.

Die ALE vertritt die Rechtsauffassung, die sie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) darlegt, dass die ALE durch die rechtswidrige Behandlung ihrer Mitgliedsgewerkschaft SACT vor allem auch in eigenen Rechten und ihrer Handlungsfähigkeit verletzt ist. Durch Verweigerung der Anerkennung der SACT als Gewerkschaft ist die ALE unmittelbar betroffen und eingeschränkt handlungsfähig, weil sie nicht für all ihre Mitgliedsgewerkschaften in Europa auftreten kann.


 

Resolution der ALE
Gerichtsverfahren zur Anerkennung unserer Mitgliedsgewerkschaft SACT

Seit 2001 kämpft die Syndicat Autonome des Conducteurs de Train (SACT), die autonome belgische Vereinigung von Lokführern (SACT) mit Sitz in Namur, um vor belgischen Gerichten als Verhandlungspartnerin der belgischen Bahn, SNCB, und als Gewerkschaft sowohl im Sinne des belgischen Rechtes als auch des europäischen Rechtes, insbesondere nach Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), anerkannt zu werden. Die belgische Bahn verweigert der SACT diese Rechte. Somit findet sich unsere Schwestergewerkschaft seit 9 (!) Jahren in teuren und zermürbenden Gerichtsprozessen wieder.

Am 2. Februar 2008 erhielt die SACT endlich die positive Entscheidung des höchsten ordentlichen Gerichtes in Belgien, dem Kassationshof. Es hob alle bisherigen negativen Urteile gegen die SACT auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Gericht des zweiten Rechtszuges, den Appellationshof in Brüssel. Die Entscheidung dieses Gerichts wurde nun für den 17. Februar 2009, und den 17. September 2009 hoffnungsvoll von ALE und SACT erwartet. Beide Termine wurden kurzfristig verschoben. Nun ist eine Entscheidung für den 14. Januar 2010 anberaumt.

Die SACT und ihre Schwester-Gewerkschaften in den Autonomen Lokomotivführer-Gewerkschaften Europas (ALE) erachten den Gesamtvorgang seit 2001 als Rechtsverweigerung. Wir verurteilen die unerträgliche Verfahrensdauer von 9 Jahren, die bereits ihre zermürbenden Wirkungen zeigt: Die Mitgliederzahl der SACT ist in den Jahren ihres Kampfes erheblich reduziert. Damit verbunden sind beträchtliche finanzielle Verluste sowie Kosten entstanden.
Aus diesem Grund hat die ALE durch ihren Präsidenten Manfred Schell Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg eingereicht. Die ALE ist der Auffassung, dass durch die dargestellte Behandlung  ihrer Mitgliedsgewerkschaft SACT die ALE selbst in eigenen Rechten verletzt wird. So wird sie in ihrer eigenen Vereinigungsfreiheit verletzt, dadurch, dass die belgische Regierung quantitative Anforderungen an die Größe der Mitgliedschaft einer Gewerkschaft in Belgien stellt, um anerkannt zu werden. Das widerspricht aber Art. 11 EMRK. Des weiteren verstößt die überlange Verfahrensdauer gegen Art. 6 Abs. 1 der EMRK, denn sie ist durch nichts gerechtfertigt. Vorliegend geht es um ein fast 10jähriges Verfahren. Es kommt deshalb einer Rechtsverweigerung gleich, einerseits ein einstweiliges Verfügungsverfahren abzulehnen, das die SACT betreiben wollte, andererseits aber innerhalb von 10 Jahren nicht zu einer Entscheidung zu gelangen. Die ALE selbst wird dadurch in ihrer Existenz und Handlungsfreiheit gefährdet. Denn die SACT ist ein äußerst wichtiges Mitglied innerhalb der westeuropäischen Struktur, die Verbindung zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland und von dort nach Mittel- und Osteuropa.

Die SACT sowie die ALE mit den weiteren ihr angehörigen 15 Lokführer-Gewerkschaften

•    verurteilen, dass in einem EU-Land wie Belgien Lokführer überhaupt auf den Rechtsweg verwiesen werden, um als demokratische Arbeitnehmerorganisation anerkannt zu werden.
•    fordern, dass eine Entscheidung am 14. Januar 2010 endlich erfolgen und nicht erneut vertagt werden darf.
•    fordern die SNCB auf, im Falle der erwarteten positiven Entscheidung für die SACT, diese umgehend anzukennen und ihr all die ihr zustehenden Rechte einzuräumen.
•    fordern eine angemessene Entschädigung der SACT, mindestens aber € 500 000 für den Schaden, der ihr durch das Prozessieren und durch Mitglieder- und Ansehensverluste – ohne Not – entstanden sind.